Dr. Andrea Vathje
Leiterin des Privatize Private Markets Instituts
Oktober 2024|9 Minuten Lesezeit
Am 26.10.2024 sind die technischen Durchführungsstandards (Regulatory Technical Standards, kurz „RTS”) der ELTIF Gesetzesnovelle in Kraft getreten. Damit ist nun der letzte Meilenstein zur vollständigen Umsetzung von “ELITF 2.0” vollbracht. Dies gibt den Fondsanbietern Sicherheit bezüglich der letzten operativen Fragen unter der novellierten ELTIF-Verordnung. Zuvor hatte es eine längere Diskussion zwischen der Europäischen Kommission und der Europäischen Marktaufsichts- und Wertpapierbehörde (ESMA) gegeben, wie die RTS ausgestaltet werden sollen. Letztendlich hat sich der flexiblere Vorschlag der Europäischen Kommission durchgesetzt.
Die RTS regeln insbesondere die praktischen Rahmenbedingungen für das Liquiditätsmanagement und die Rückgabemodalitäten von semi-liquiden ELTIFs, den „Matching-Mechanismus“, also den Übertrag von Anteilen, sowie die Offenlegung der Kosten.
Zusammenspiel von Mindestliquidität, Rückgabefrequenz und Kündigungsfristen
Für die Mindestliquidität bei semi-liquiden ELTIFs geben die RTS zwei unterschiedliche Optionen in Abhängigkeit von Kündigungsfristen und Rückgabefrequenz vor.
So bedeutet beispielsweise die Zahl 33,3 % bei einer Rückgabefrequenz von drei Monaten und einer Kündigungsfrist von drei Monaten, dass der Asset Manager eines solchen Produkts maximal 33,3 % der Mindestliquiditätsquote pro Rückgabefenster zurücknehmen darf. Nimmt ein ELTIF beispielsweise maximal 5 % des ausstehenden Volumens pro Quartal zurück („Gating von 5 % pro Quartal“), beträgt damit die Mindestliquiditätsquote in diesem Fall 15 %.
Die dritte Spalte gibt dabei an, wie viel Prozent der Mindestliquiditätsquote maximal pro Rückgabefenster zurückgenommen werden darf. Im konkreten Fall bedeutet z.B. der Wert von 50 % bei einer Kündigungsfrist von 3 Monaten, dass maximal 50 % der Liquiditätsquote von 20 % - im Ergebnis also 10 % - pro Rückgabefenster zurückgenommen werden darf.
Insgesamt bieten die verschiedenen Varianten im Zusammenspiel von Mindestliquidität, Rückgabefrequenz und Kündigungsfrist den Fondsanbietern relativ viel Flexibilität, nachdem der erste Vorschlag der ESMA zur Mindestliquidität mit Mindestquoten von bis zu 40 % als nicht praxistauglich eingestuft wurde und für viel Kritik gesorgt hatte.
Mindesthaltefristen
Nach den RTS sind weder eine produktspezifische Mindesthaltefrist noch individuelle Mindesthaltefristen auf Investorenebene notwendig. Bei Bedarf kann der Fondsanbieter des ELTIFs diese allerdings nach eigenem Ermessen vorsehen. Auch dieser Punkt erscheint praxistauglich, zumal während der Investitionsphase ggf. Zeichnungen genutzt werden könnten, um potentielle Rückgabewünsche zu erfüllen.
Übertragung von ELTIF Anteilen
Mit den RTS wurde auch die Möglichkeit eines Matching-Mechanismus, der erstmals überhaupt für europäische Fonds Anwendung findet, konkretisiert. Dabei muss eine faire Behandlung der Anleger gewährleistet sein.
Offenlegung der Kosten
Ein ELTIF muss alle Kosten offenlegen, die direkt oder indirekt vom Anleger zu tragen sind. Vertriebskosten müssen dabei alle Verwaltungs- und Regulierungskosten sowie durch professionelle Dienste und Wirtschaftsprüfung verursachten Kosten umfassen. Dabei müssen einheitliche Definitionen, Berechnungsmethoden und die Darstellungsweise dieser Kosten angegeben werden.
Die finale Ausgestaltung der RTS hatte sich spätestens seit Sommer abgezeichnet, als die EU Kommission ihren finalen Vorschlag an das Europäische Parlament und den Rat der EU zur Prüfung eingereicht hatte. Vor diesem Hintergrund haben bereits im Vorfeld zur Finalisierung der RTS viele Asset Manager ELTIFs zur Genehmigung eingereicht. Dies hat zu einem Rekordniveau an Neuproduktzulassungen in 2024 geführt. Während bislang maximal 20 ELTIFs pro Jahr genehmigt wurden, sind allein in den ersten drei Quartalen von 2024 bereits 38 ELTIFs genehmigt worden.
Quelle: ESMA, page 6, 2021, Scope, 2022, 2023 and 2024 and ESMA
Die neuzugelassenen Produkte decken dabei sämtliche Assetklassen ab. Die Mehrheit der Produkte (16) fokussiert sich auf Private Equity, gefolgt von Private Debt (8) und Infrastruktur (7). Die Assetklasse Real Estate ist mit fünf Produkten vertreten, zwei Produkte bilden Multi-Asset-Strategien ab.
50 % der 2024 zugelassenen ELTIF (19) richten sich an professionelle Kunden. Die anderen 50 % der Produkte können auch an Privatanleger vertrieben werden. Dies zeigt einmal mehr, dass der ELTIF nicht nur für Privatanleger, sondern auch für professionelle Kunden genutzt wird.
Von den 19 auch für Privatanleger zugelassenen Produkten können 15 auch in Deutschland vertrieben werden. Interessant ist dabei das Verhältnis zwischen geschlossenen und semi-liquiden Produkten: vier geschlossenen ELTIFs stehen elf semi-liquiden ELTIFs gegenüber. Die Möglichkeit, unter ELTIF 2.0 semi-liquide ELTIFs zu begeben, wird also aktiv genutzt. Dies folgt dem allgemeinen Trend im Private Wealth Bereich, in welchem sich semi-liquide Evergreenprodukte angesichts ihrer Flexibilität und kontinuierlichen Allokation einer immer größer werdenden Nachfrage erfreuen.
Die Mehrheit der für deutsche Privatkunden zugelassenen Produkte bezieht sich auf die Assetklasse Private Equity (7), gefolgt von Infrastruktur (4), Private Debt und Multi-Asset (je 2).
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