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Dr. Andrea Vathje

Leiterin des Privatize Private Markets Instituts

Mai 2024|3 Minuten Lesezeit

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Überblick zum aktuellen RTS-Entwurf der ESMA

Obgleich die Gesetzesnovelle für den European Long Term Investment Fonds (ELTIF) Anfang Januar 2024 zur Anwendung gekommen ist, sind die technischen Regulierungsstandards (Regulatory Technical Standards, kurz „RTS”) noch ausstehend. Diese hat die Europäische Kommission bei der Europäischen Marktaufsichts- und Wertpapierbehörde (ESMA) zur Ausarbeitung in Auftrag gegeben. Die RTS sollen insbesondere die praktischen Rahmenbedingungen für das Liquiditätsmanagement und die Rückgabemodalitäten von semi-liquiden ELTIFs sowie die Offenlegung der Kosten regeln.

Einen ersten Entwurf der RTS lieferte die ESMA im Dezember 2023. Dieser wurde allerdings Anfang März 2024 von der Europäischen Kommission zurückgewiesen, da Teile des Entwurfs als nicht praktikabel eingestuft wurden. Ein konkreter Punkt, bei dem die Kommission Nachbesserungsbedarf sah, betraf z.B. die hohen Liquiditätsanforderungen in Abhängigkeit von den Kündigungsfristen bei Rückgaben von semi-liquiden ELTIFs. So sollte bei einer Kündigungsfrist von unter sechs Monaten die Quote der von Fonds zu haltenden liquiden Vermögenswerte mindestens 40% betragen. Ende April 2024 hat nun die ESMA den zweiten RTS-Entwurf an die Europäische Kommission übermittelt.

Was sieht der aktuelle Entwurf vor?

Der zweite RTS-Entwurf nimmt die Kritikpunkte der Europäischen Kommission auf, auch wenn die ESMA z.T. andere Umsetzungsmodalitäten vorschlägt, als die Europäische Kommission in ihrem Ablehnungsschreiben an die ESMA aufgezeigt hat.

Mindestliquidität

Von unter sechs Monaten eine Liquidität von mindestens 40% vorsah, beträgt die Quote gemäß des aktuellen Entwurfs bei einer Kündigungsfrist zwischen sechs und drei Monaten nun lediglich 15%.

Die folgende Tabelle fasst die Mindestliquiditätsquoten sowie die maximalen Prozentsätze, die pro Rückgabefenster in Relation zur Mindestliquidität zurückgenommen werden dürfen, für die verschiedenen Kündigungsfristen bei Rückgaben zusammen:

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Die dritte Spalte gibt dabei an, wie hoch der Prozentsatz relativ zur Mindestliquidität sein darf, der pro Rückgabefenster maximal zurückgenommen werden darf. Im konkreten Fall bedeutet z.B. der Wert von 67% bei einer Kündigungsfrist zwischen sechs und drei Monaten, dass maximal 67% der Liquditätsquote von 15% – im Ergebnis also 10% – pro Rückgabefenster zurückgenommen werden darf. Bei einer Kündigungsfrist zwischen sechs und drei Monaten kann ein ELTIF somit ein Gating, also eine Beschränkung des Fondsvolumens, das insgesamt über einen bestimmten Zeitraum zurückgegeben werden kann, von maximal 10% pro Rückgabefenster vorsehen. Diese neuen, deutlich niedrigeren Vorgaben zur Mindestliquidität in Abhängigkeit von den Kündigungsfristen bei Rückgaben sind deutlich praxisnäher als im ersten RTS-Entwurf der ESMA.

Im konkreten Beispiel einer dreimonatigen bzw. sechsmonatigen Kündigungsfrist entsprechen der neue Vorschlag der ESMA in Höhe von 15% bzw. 10% genau der Liquiditätsquote, die auch die Europäische Kommission in ihrem Antwortschreiben an die ESMA für den Fall einer dreimonatigen bzw. sechsmonatigen Kündigungsfrist vorgeschlagen hatte.1

1 Siehe Annex I Option 1 des Antwortschreiben der Europäischen Kommission an die ESMA, bei quartalsweise Rückgabemöglichkeit und unter der Annahme eines Gatings von 5% pro Quartal.

Frequenz der Rückgabefenster

Die Frequenz der Rückgabefenster, z.B. monatlich, quartalsweise oder halbjährlich, spielt im aktuellen RTS-Entwurf der ESMA bei Rückgaben nur indirekt eine Rolle. Die Rückgabefrequenz soll im Einklang mit der Verfügbarkeit einer zuverlässigen, soliden und aktualisierten Bewertung der Vermögenswerte des ELTIFs und der Häufigkeit der Rücknahmen während der Laufzeit des ELTIF stehen. Hierin unterscheidet sich der Vorschlag der ESMA vom Antwortschreiben der Europäischen Kommission an die ESMA, das ein Zusammenspiel zwischen der Rückgabefrequenz, der Mindestliquidität und der Kündigungsfrist bei Rückgaben vorsah.

Mindesthaltefristen

Eine produktspezifische Mindesthaltefrist soll sich gemäß des neuen ESMA RTS-Entwurfs an der Investitionsphase des Fonds orientieren und um so länger sein, je länger die Investitionsphase des Fonds ist. Eine verbindliche Dauer einer Mindesthaltefrist für alle ELTIFs ist gemäß des aktuellen Entwurfs nicht vorgesehen. Auch sind keine verbindlichen individuellen Mindesthaltefristen auf Investorenbasis vorgeschrieben, die mit dem Kauf eines jeden Investors beginnen. Allerdings können Fondsanbieter nach eigenem Ermessen solche kundenbezogenen Mindesthaltefristen einsetzen. Auch dieser Punkt erscheint praxistauglich, zumal während der Investitionsphase ggf. Zeichnungen genutzt werden könnten, um potentielle Rückgabewünsche zu erfüllen.

Wie geht es weiter?

Grundsätzlich hat die Europäische Kommission nach Veröffentlichung drei Monate Zeit, den RTS-Entwurf der ESMA anzunehmen oder abzulehnen.

Viele Marktteilnehmer erwarten, dass die Europäische Kommission den aktuellen RTS-Entwurf annehmen wird. Ein erstes Signal hierzu wird es vermutlich bereits Mitte Mai 2024 geben, nachdem die Europäische Kommission erstmals über den aktuellen ESMA RTS-Entwurf beraten hat. Bis zur offiziellen Annahme oder Ablehnung der RTS-Entwurfs durch die Europäische Kommission könnte es wegen der anstehenden Europawahl im Juni 2024 etwas länger als drei Kalendermonate dauern, da unklar ist, wie schnell nach den Wahlen ein neues europäisches Parlament zusammen kommen wird. Marktteilnehmer erwarten die Annahme vor diesem Hintergrund bis spätestens Ende Q3 2024 oder Anfang Q4 2024. Bei bei positiven Signalen im Mai 2024 werden aber vermutlich viele Fondsanbieter den Einreichungsprozess ihrer Prospekte bei den Aufsichtsbehörden starten, so dass bereits ab Q3 2024 vermehrt semi-liquide ELTIFs an den Markt kommen dürften.

Sollte es zu einer Ablehnung des aktuellen RTS-Entwurfs kommen, sieht der Prozess vor, dass die RTS von der Europäischen Kommission erstellt werden. Marktteilnehmer erwarten, dass die Europäische Kommission in diesem Fall den RTS-Entwurf heranziehen wird, den sie als Antwort auf den ersten ESMA Entwurf veröffentlicht hat.

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